Es war meine erste Schwangerschaft und von Anfang an war mir klar: Die Geburt wird in einem Geburtshaus stattfinden. Für eine Hausgeburt war ich (noch?) nicht mutig genug, zumindest nicht beim ersten Kind. Aber auf eine Geburt im Krankenhaus hatte ich gar keine Lust. Die Schwangerschaft verlief problemlos, abgesehen von ein bisschen Übelkeit und Müdigkeit während der ersten drei Monate. Ich war sicher, dass das Geburtshaus der für mich richtige Ort für die erste Geburt ist. Und so war es dann auch. Mir ging es gut,ich war gespannt auf das Abenteuer Geburt, was vor mir liegen sollte. Durch Zufall hatte ich von HypnoBirthing erfahren. Erst war ich etwas skeptisch…Hypnose unter der Geburt? Wie soll das denn funktionieren? Doch schon immer war ich überzeugt davon, dass die Schmerzen einen Sinn haben müssen. Ich wollte auf jeden Fall eine natürliche Geburt, ohne Schmerzmittel und unnötige Eingriffe. Frauen sind doch dazu gemacht, Babys zu bekommen. Schmerzmittel, Lachgas, PDA während der Geburt? Alles übertrieben, war meine Meinung. Wir Frauen machen das schließlich schon seit Tausenden von Jahren. Andererseits hatte ich gut reden: Es war schließlich mein erstes Baby.
Inhalt
Hypnobirthing – was ist das?
Das Konzept von HypnoBirthing sprach mir daher aus der Seele: Durch positive Visualisierungen werden Ängste vor der Geburt abgebaut. Die Geburtsschmerzen werden durch bestimmte Konzentrationsübungen und Hypnose Techniken vermindert. Man sagt, durch Hypnobirthing erlebt man eine schnellere Eröffnungsphase und friedliche, sanft geborene Babys. Wichtig ist während der ganzen Zeit, ruhig und entspannt zu bleiben. Außerdem werden im Hypnobirthing die Wehen als „Wellen“ bezeichnet, da man mit dem Wort „Wehen“ an sich schon Schmerzen verbindet.
Das klang zu schön um wahr zu sein. Angst vor der Geburt hatte ich nicht, im Gegenteil: Ich war voller Vorfreude. Doch HypnoBirthing erforderte volle Vorbereitung: Ich besuchte einen speziellen HypnoBirthing Geburtsvorbereitungskurs, las das Buch “ Hypnobirthing – der natürliche Weg zu einer sicheren, sanften und leichten Geburt“ und hörte jeden Tag über 3 Monate hinweg die HypnoBirthing CD: die sogenannte Regenbogenentspannung und die positiven Geburtsaffirmationen. Ich las keine Horrorgeschichten von Geburten, versuchte mir nicht zu viele Gedanken zu machen und stellte mir immer und immer wieder meine Traumgeburt vor. Alles Kopfsache.
Pünktlich zum ET…
Am Morgen des errechneten Termins hatte ich noch keine wirklichen Anzeichen. Ich war mit meiner Mutter und meinem Mann zum Frühstück verabredet, danach hatte ich den obligatorischen Termin zur Vorsorge im Geburtshaus. Meine Hebamme scherzte, als sie mich ans CTG anschloss: „Da sieht man noch gar nichts. Am besten genießt ihr die Tage nochmal richtig, geht schön essen oder einen Film schauen.“ Etwas betrübt verließen wir das Geburtshaus. Ich hatte schon seit ein paar Wochen immer mal so periodenähnliche Schmerzen. Dann könnte es doch auch mal langsam losgehen. Da es ein schöner Wintersonntag war, gingen mein Mann und ich noch ein bisschen spazieren. Plötzlich merkte ich ein etwas stärkeres Ziehen. Stärker jedenfalls als die anderen Male die Wochen zuvor. Für einen kleinen Moment freute ich mich. Geht es jetzt etwa los? Noch behielt ich es aber für mich. Nur keine unnötige Aufregung schaffen. Ganz ruhig bleiben. Richtige Wellen fühlen sich bestimmt anders an. Von diesem Zeitpunkt an kam das Ziehen immer mal wieder.
Mein Mann und ich waren nun wieder zuhause und entspannten bei Kaffee und Kuchen. Das Ziehen wurde noch etwas stärker, und kam auch irgendwie in regelmäßigen Abständen. Jetzt erst rückte ich mit der Sprache raus: „Du, ich hab da so ein komisches Ziehen.“ Er lachte nur und konnte es nicht glauben. Ich stieg erstmal in die Wanne. Danach wurde das Ziehen noch stärker.
„Ich glaube, wir müssen nachher noch ins Geburtshaus fahren“
Mein Mann staunte nicht schlecht. „Aber koch erstmal Abendessen, ich hab Hunger und will mich stärken“ war meine Antwort auf sein verdutztes Gesicht. Beim Essen ging es richtig los: Ich musste öfters die Gabel beiseitelegen, um die Welle zu veratmen. Es waren also richtige Wellen! Das klappte super mit der Technik, die wir von HypnoBirthing gelernt hatten. Als schmerzhaft empfand ich es nicht. Kurz nach dem Essen fiel uns auf, dass wir ja mal die Abstände der Wellen messen könnten. Unglaublich, schon alle 7 Minuten. Mir ging es gut, aber ich wollte mich nun in einen Entspannungszustand versetzen. Also wieder in die Badewanne, Duftkerzen und Flötenmusik an und atmen. Ich vergaß total die Zeit. 2 Stunden fühlten sich an wie 10 Minuten. Mein Mann maß die Abstände und Dauer der Wellen. Immer noch 7 Minuten, aber schon intensiver. Zur Sicherheit riefen wir mal im Geburtshaus an. Meine Hebamme war sehr überrascht. Uns hätte sie ja heute nicht mehr erwartet. Unsere Kleine scheint sich ja doch pünktlich auf den Weg zu machen. Ich solle mich nochmal melden, wenn die Wellen alle 5 Minuten kommen, und losfahren, wenn es mir mein Körper signalisiert. Außerdem befahl sie mir, sofort aus der Badewanne zu steigen. „Das ermüdet dich nur!“ Also raus aus der Wanne und rein ins Bett. Mein Mann streichelte mich und brachte mir kleine Snacks zur Stärkung. Dabei liefen die Geburtsaffirmationen. „Du bist entspannt, dein Körper ist entspannt. Überlass deinem Körper und deinem Baby die Kontrolle. Lass los.“
Die Schmerzen wurden stärker und ich musste mich sehr konzentrieren, die richtige Atmung beizubehalten. Aber es klappte noch. Ich hatte keine Lust, jetzt in ein Auto zu steigen. Es war so kuschelig zuhause und ich wollte entspannen. Irgendwann hielt ich es trotzdem nicht mehr aus. Wir fuhren ins Geburtshaus, es war 1 Uhr nachts. In 30 Minuten waren wir da. Für mich fühlte es sich wie fünf Minuten an. Während der Fahrt trug ich eine Schlafmaske und hörte de Regenbogenentspannung mit Kopfhörern. Das muss ein lustiges Bild abgegeben haben. Aber ich wollte unbedingt in meinem Entspannungszustand bleiben.
Positive Visualisierungen
Im Geburtshaus bekamen wir gleich ein schönes Zimmer: gedimmtes Licht, brennende Kerzen, so richtig gemütlich. Die Hebamme untersuchte den Muttermund: schon 8 Zentimeter offen. Unglaublich! Ich war wie in Trance. Die Wehen kamen in heftigen Wellen. Alles, was mir durch den Kopf ging, waren die Visualisierungen von HypnoBirthing: Öffnende Rosenblüte, blaue schwingende Bänder, öffnende Rosenblüte, blaue schwingende Bänder… Aua! Die Schmerzen waren so stark, dass ich immer wieder aus meiner Konzentration gerissen wurde. Was es noch schlimmer machte! Ich merkte sofort, wie stark der Schmerz wird, wenn ich verkrampfe. Also versuchte ich mich locker, auf und weit zu machen. Öffnende Rosenblüte, blaue schwingende Bänder…
Plötzlich platzte meine Fruchtblase, was für eine Erleichterung. Ich begab mich in den Vierfüßler Stand, mit den Händen am Bett abgestützt. Eigentlich hatte ich mir ja immer vorgestellt, in der Wanne zu gebären. Aber ich schwitzte wie ein Schwein. Allein die Vorstellung, jetzt in warmes Wasser zu steigen, war die Hölle. Ich fühlte mich wie eine Marathonläuferin, mit dem Ziel in Sichtweite. Die Presswehen begannen und ich wusste, es ist jetzt nicht mehr lang. Das machte die Schmerzen erträglicher. Im Kurs hatten wir gelernt, nicht zu pressen, sondern das Kind hinunter zu atmen. Was für ein Mist, dachte ich jetzt. Sch… auf HypnoBirthing.
Ich konnte dem Pressdrang nicht widerstehen
Ich musste einfach pressen. Still konnte ich auch nicht sein, wie meistens üblich bei HypnoBirthing Geburten. Das Mantra, das mein Handy abspielte, wurde die ganze Zeit von meinem lauten Schreien übertönt. Ich war überrascht, was da eigentlich für Töne aus mir kamen. Mein Mann war ganz erschrocken, zu welcher Lautstärke ich fähig sein kann. Ich dachte die ganze Zeit: Du kannst das, gleich ist es geschafft, gleich ist sie da. Auszuhalten.
„Wow, hat die viele Haare“, riss mich die Hebamme aus meinen Gedanken. Jetzt wusste ich, dass es nicht mehr lange dauern kann. Kurze Zeit später war sie da. Unsere kleine Frida Marlene. 3160 g leicht und 50 cm klein. Es war 04.15 Uhr. Ich war erschöpft, nass geschwitzt, heiser und durstig, aber unfassbar glücklich. Wir zogen ins Bett um und ich bekam das kleine verschmierte Bündel gleich auf die Brust gelegt. Mein Mann neben mir, unsere Frida auf mir. Ganz friedlich. Ich konnte es noch gar nicht fassen. Es ging alles so schnell. Die Hebammen ließen uns allein, um uns alle in Ruhe zu beschnuppern. Irgendwann kamen sie mit drei Gläsern Sekt und einem kleinen Kuchen mit einer brennenden Kerze ins Zimmer. Ich blies die Kerze aus und wünschte mir etwas für Frida. Dann stießen wir auf ihren Geburtstag an. Zwei Stunden später waren wir in unserem gemütlichen Zuhause – zu dritt.
Unglaublich, innerhalb von 9 Stunden hatte ich ein Kind geboren. Eine sanfte Geburt, so wie ich es mir immer vorgestellt habe. Auch wenn ich HypnoBirthing nicht bis zum Ende durchgezogen habe, hat es mir in der Anfangsphase und die Wochen davor sehr geholfen, ruhig und entspannt zu bleiben und mich zu freuen. Dieses Ereignis war das wundervollste, schmerzhafteste, abenteuerlichste und beeindruckendste, was ich je erfahren habe. Ich bin dankbar, dass ich so eine wunderschöne Geburt erleben durfte. Und ja, ich würde es auf jeden Fall wieder tun. Vielleicht klappt es ja das nächste Mal bis zum Ende mit HypnoBirthing.