Heute ist Internationaler Hebammentag. Schon seit 1991 werden an diesem Tag in mittlerweile mehr als 50 Ländern Hebammen und ihre Arbeit geehrt, um auf die Bedeutung der Hebammen für die Gesellschaft hinzuweisen.
Hebammen sind nach wie vor unverzichtbar für uns Frauen. Sie sind unser Fels in der Brandung während der Schwangerschaft, Unterstützer und Kraftgeber während der Geburt, weiser Ratgeber im Wochenbett und versorgen uns immer wieder mit ihrem alten Wissen rund um die Babybauch- und Neugeborenenzeit.

Herzmama Julia spricht heute zum Welt-Hebammentag mit Hebamme Ann-Katrin Gnutzmann von natURgeburt darüber, wie wichtig Hebammen für uns sind und wie Frauen zurück in ihre Kraft finden, eine selbstbestimmte Geburt zu erleben.
Ann-Katrin Gnutzmann aus Kiel ist Hebamme und Gründerin von natURgeburt. Sie hat selbst zwei Kinder geboren und ist aktuell wieder schwanger in der 25.SSW. Bevor sie die beiden Kinder geboren hat, die sie heute begleiten darf, hat sie zwei Kinder zu den Sternen gehen lassen müssen. Bei ihrer ersten „kleinen Geburt“ musste sie erleben, wieviel über Druck, Angst und mentaler Manipulation gearbeitet wird, um Einfluss auszuüben.
Bei der Geburt ihres Sohnes schritt aufgrund einer mentalen Blockade die Eröffnung des Muttermundes 10 Stunden nicht voran. Deshalb beschloss sie, sich auf ihre zweite Geburt besser vorzubereiten. Denn die zweite Geburt verlief zu Hause und ganz anders. Ann-Katrin konnte die ganze Urkraft, die eine Geburt ist, in ihrem Körper spüren und mit statt gegen sie arbeiten.
Seit sie diese Geburt erfahren hat, ist es ihre Herzensaufgabe, Frauen zu stärken und auf dem Weg zu ihrer selbstbestimmten Geburtsreise, losgelöst von emotionalen Abhängigkeiten, zu begleiten und zu unterstützen.
Inhalt
Seit wann arbeitest du als Hebamme und wie bist du zu diesem Beruf gekommen?
2013 habe ich das staatliche Examen zur Hebamme gemacht, davor eine 3-jährige Ausbildung in Kiel. Anders als viele andere Kolleginnen habe ich es nicht immer gewusst, dass ich diesen Beruf ausüben möchte. Ich habe mit Beginn der Oberstufe viel überlegt, wie es für mich weitergehen soll. Medizin interessierte mich. Physiotherapie, Ärztin…ich war unsicher. Eine gute Freundin meiner heutigen Schwiegermutter (ich war auch damals schon mit meinem heutigen Mann zusammen) ist Hebamme (damals in einem Geburtshaus) und nahm mich für ein Praktikum mit in ihren Geburtsvorbereitungskurs. Es folgten diverse Praktika bei anderen Hebammen und ein FSJ auf der Wochenbettstation und ich wollte UNBEDINGT diesen Beruf erlernen!!!
Welche Aufgabenbereiche des Hebammenberufs übernimmst du?
Zur Zeit nur (Online-)Kurse. Grundsätzlich aber auch Vorsorgen und Nachsorgen, und ich bin in einem Kreißsaal angestellt, aber seit 2016 in Elternzeit.
Was liebst du an deiner Arbeit?
Als Hebamme darf ich die Familien in einer der bedeutendsten und intimsten Momente ihres Lebens begleiten. Das ist eine wahnsinnige Ehre!!!
Dabei sein zu dürfen, wenn ein neuer Mensch geboren wird, ist wohl einer der magischsten Momente. Eine Schwangerschaft und die Geburt führen mir die weibliche Schöpferkraft immer wieder so präsent vor Auge, dass ich jedesmal wieder überwältigt bin. Jede Schwangerschaft, jede Geburt, jede Familie ist so individuell. Es ist immer wieder neu und anders. Ich erlebe in meinem Beruf so viel Intimität und so viel Tiefgang. Das berührt mich immer wieder auf’s Neue.
Natürlich hat dieser Beruf auch seine Schattenseiten, denn es gibt auch schwere Momente, schlimme Diagnosen und Ereignisse, schlimme Schicksalsschläge, bei denen ich die Frauen genauso begleite. Aber auch diese Begleitung hat ihre ganz eigene Magie und erfüllt mich auf eine ganz andere Art und Weise. Der Frau oder den Familien in diesen Momenten halt geben zu dürfen und einfach nur da zu sein, ist auch etwas ganz Besonderes.

Warum sind Hebammen so wichtig?
Weil die Hebamme die Frau bestärkt, auffängt und jederzeit mit Rat und Tat zur Seite steht.
Sie kann die Frau darin unterstützen, ihren eigenen individuellen Weg zu finden. Sie hat die Kenntnis und Erfahrung über die Möglichkeiten, kann Vorschläge machen und mitschauen, was zu der einzelnen Frau oder Familie passt.
Für mich als Frau ist es sehr wertvoll, während der Hausgeburt eine Hebamme an meiner Seite zu haben, die von außen auf die Geburt schaut und (still) beobachtet, dass alles im rechten Rahmen verläuft. Wenn ich ein schlechtes Bauchgefühl bekomme oder aus meinem Geburtsfluss komme, kann sie mich kompetent begleiten.
Du bietest auch Onlinekurse für schwangere Frauen an – erzähle uns mehr davon.
Ich habe als Frau erfahren und als Hebamme erlebt wie sehr uns unsere Verantwortung als werdende Mutter abgenommen und damit auch unsere Kompetenz abgesprochen wird.
Eine Geburt ist ein sehr komplexer und dennoch sehr natürlicher Vorgang, der seit Anbeginn der Menschheit funktioniert, solange die Frauen auf ihre Intuition hören und ihr folgen können.
Es gibt einige Besonderheiten, die die Geburt durch unseren modernen Lebensstil sehr beeinflussen können.
Aber insgesamt wird die Geburt in der Gesellschaft als ein sehr schmerzhaftes, grausames Ereignis dargestellt, vor das eine Frau sich fürchten muss. Viele traumatische Geburtserfahrungen bestätigen dieses Bild.
Geburt hängt aber von so vielen Faktoren ab und ist schon in der Schwangerschaft durch den Lebensstil, insbesondere durch die eigene körperliche Aktivität und die Ernährung beeinflussbar. Auch das eigene Mind-Set und die Verbundenheit zum Baby spielen eine große Rolle.
Und genau das sind die Punkte, an denen ich mit den Frauen, die ich in meinen Online-Intensivkursen begleite, ansetze. Wir arbeiten Schritt für Schritt an den eigenen Ängsten und negativen Glaubenssätzen jeder Einzelnen, rollen die Ernährung und die Bewegungsmuster nochmal neu auf und hinterfragen Routinemaßnahmen in der Schwangerschaft, unter der Geburt und in der ersten Zeit danach. Damit jede Frau ihren eigenen individuellen Weg selbstbestimmt durch Schwangerschaft und Geburt gehen kann.
Einige Frauen kommen auch bereits mit Kinderwunsch in meinen Kurs, gerade wenn sie schon sehr unschöne Geburten erlebt haben, um gut vorbereitet in eine neue Schwangerschaft zu starten.
Was bedeutet „selbstbestimmte Geburt“ für dich?
Dass eine Frau zu jeder Zeit die freie Entscheidung über sich und ihr Baby hat. Dass die Frau nicht über angstmachende Worte zu einer Entscheidung im Sinne der Geburtsbegleiter gedrängt wird, sondern eine sachliche Aufklärung erhält, wenn überhaupt Maßnahmen notwendig werden. Ebenso gehört dazu, dass die Frau über alles informiert und auch gefragt wird.
Als Beispiel: Eine 2-stündliche vaginale Untersuchung ist in den meisten Häusern Standard unter der Geburt. Frauen werden nicht gefragt ob es für sie der individuell richtige Weg ist. Sie werden dazu aufgefordert, teilweise mit Nachdruck, dass alle 2 Stunden (nicht selten in Rückenlage und unter Schmerzen) der Geburtsfortschritt beurteilt wird.
Ist eine selbstbestimmte Geburt deiner Meinung nach auch im Krankenhaus möglich?
Ja, das ist es! Während meiner ersten Geburt hatte ich zwar einen Knoten im Kopf, aber dennoch verlief die Geburt sehr selbstbestimmt.
Es erfordert das richtige Mindset und die entsprechende Vorauswahl und Vorgespräche, wo das Kind zur Welt kommen soll.

Hausgeburt, Geburtshaus oder Krankenhaus – wie können Frauen die Entscheidung für den Geburtsort am besten treffen?
In dem sie sich zum einen über Chancen und Risiken informieren, die jeder Geburtsort für sich bietet. Und zum anderen auf ihr Herz hören, in dem sie sich frei machen von ihrer Angst, die allzu oft die Entscheidungen trifft.
Gewalt unter der Geburt ist ein wichtiges Thema, was von immer mehr Frauen öffentlich diskutiert wird. Was verstehst du darunter?
Ich verstehe darunter das Gegenteil von Selbstbestimmung. In der Geburtshilfe wird sowohl psychische als auch physische Gewalt angewendet.
Das reicht von einer schmerzhaften vaginalen Untersuchung, bis hin zu der sog. Kristellerhilfe, die heute oftmals so praktiziert wird, dass sich ein Geburtshelfer neben das Kreißsaalbett stellt, auf der anderen Seite nach dem Bettlaken greift, um sich festzuhalten und dann mit aller Kraft und dem eigenen Körpergewicht auf den Bauch der Frau drückt, um das Baby nach unten zu schieben. So wird dieser Kristellergriff in keinem Lehrbuch beschrieben und die meisten Frauen sind von dieser Situation und dem zusätzlichen Schmerz oftmals absolut überfordert.
Aber auch mental wird sehr viel Druck auf die Frauen ausgeübt, in dem immer wieder Angst gemacht wird, sobald die Frau eine Maßnahme ablehnt.
Wie können Frauen ihre Angst oder Unsicherheiten vor einer Geburt überwinden?
In dem sie sich zum einen gut informieren über die natürlichen Prozesse einer Geburt und die Standards in der heute praktizierten Geburtshilfe.
Zum anderen sollten sich die Frauen aber auch wirklich intensiv mit sich selbst und auch mit ihren Ängsten und negativen Glaubenssätzen auseinandersetzen und diese konstruktiv bearbeiten. Das benötigt etwas Zeit, so dass eine Frau damit nicht früh genug beginnen, aber unglaubliche Ergebnisse erreichen kann.
Ich darf diese Prozesse in meinen Intensivkursen begleiten und beobachten und es ist wirklich jede Mal auf’s Neue beeindruckend, was diese inneren Prozesse verändern können!!!
Wenn du Frauen für Schwangerschaft und Geburt einen Rat mitgeben kannst- welcher wäre es?
In der Schwangerschaft sind wir noch viel offener und sensibler. Sehe das nicht als Fluch sondern als Segen. Nutze diese Möglichkeit, um an dir zu arbeiten. Schiebe die Gedanken an die Geburt nicht weg und „lasse alles auf dich zukommen“. Setze dich mit deinen Möglichkeiten und deinen Rechten auseinander, höre tief in dich hinein und finde zurück zu deiner Intuition, die wir in unserem gewöhnlichen Alltag allzu oft zu unterdrücken gelernt haben und uns von unserem Kopf steuern lassen. Schaltet dieser (also das Großhirn) sich jedoch unter der Geburt zu stark ein, hat das einen negativen Einfluss auf den Geburtsverlauf, denn der Geburtsprozess wird von unserem Stammhirn geleitet. Ist das Großhirn aktiv, wird das Stammhirn unterdrückt.
Spürt die Frau also eine Angst unter der Geburt, wird sie sich verkrampfen und Verkrampfung führt zu Schmerz und noch mehr Angst usw. Eine Abwärtsspirale. Darum sind die wichtigsten Dinge unter der Geburt Hingabe, Vertrauen und Entspannung.
Das bedarf bei den meisten Frauen eine intensive Vorarbeit schon in der Schwangerschaft oder sogar schon in der Kinderwunschzeit.

Was verstehst du unter einer guten Geburtsvorbereitung?
Zum einen dass die Frauen bzw. Familien verschiedenste Informationen erhalten und den natürlichen Geburtsablauf verstehen, aber auch über das Zustandekommen von Geburtskomplikationen bescheid wissen – denn diese fallen in der Regel nicht vom Himmel.
Zum Zweiten die aktive körperliche Vorbereitung auf die Geburt in Form von Ernährungsumstellungen und der sportlichen Aktivität inkl. des Beckenbodentrainings.
Und zum Dritten die mentale Vorbereitung auf die Geburt. Das Anschauen eigener Ängste, vielleicht auch eigener Erfahrungen und die konstruktive Bearbeitung von negativen Glaubenssätzen.
Frauen sollten Geburt nicht als etwas Schlechtes, Schmerzhaftes wahrnehmen, sondern neue Emotionen dazu erzeugen, durch Visualisierungen zum Beispiel. Auch das Schauen positiver Geburtsvideos kann dazu beitragen.
Worauf sollten Frauen bei der Suche nach einer Hebamme achten?
Dass die Chemie stimmt und dass die Vorstellung von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett in den Grundzügen übereinstimmen.
Beides lässt sich nur im Gespräch herausfinden. Die Frau muss der Hebamme vertrauen können, dass ist das A und O für eine gute Betreuungssituation, was aber gleichzeitig natürlich nicht ausschließt, dass die Frau auch Dinge hinterfragen darf.
Zu guter Letzt : Was war dein schönstes, aufregendstes oder bewegendstes Geburtserlebnis als Hebamme?
Diese Frage hat mir kürzlich auch eine Frau auf Instagram gestellt und ich finde diese Frage gleichermaßen spannend als auch schwierig zu beantworten.
Als Hebamme erlebt man tagtäglich so viele bewegende Geschichten und erhält nicht nur in die Geburt einen intimen Einblick, sondern meist in das ganze Leben der Familie!
Aber ich möchte hier eine Situation aus einem Kreißsaaldienst teilen:
Ich habe eine Frau mit Wehen übernommen, die allgemein als „einfache“ oder „sozial schwache“ Frau bezeichnet werden würde und auch wurde. Sie hatte bereits Kinder spontan geboren und dennoch drängten die Ärzte zu einem Kaiserschnitt, da die Frau „nicht kooperieren“ würde. Ich schaffte es, ihr Vertrauen zu gewinnen. Sie hat sich geöffnet und damit auch ihr Muttermund. Das Kind wurde spontan geboren und diese Frau war mir so dankbar dafür. Dabei war sie ja diejenige, die das Baby geboren hat. Mich hat ihre Dankbarkeit dennoch sehr bewegt und eben, dass das Kind spontan geboren wurde, trotz dem Drängen der Ärzte (was mich wiederum sehr erschütterte).
Vielen Dank liebe Ann-Katrin, dass du uns Rede und Antwort gestanden hast, und für deine wichtige Arbeit.
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